Europäische Richtlinien Täterarbeit

Präambel

Täterarbeit ist aktive Friedensarbeit, denn sie hat gewaltfreie Konfliktaustragung zum Ziel. Sie setzt ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zum Wohle von Klienten/innen und Gesellschaft ein. Die Würde und Integrität der Menschen zu achten - unabhängig von ihren Taten - ist unabdingbarer Bestandteil dieses Verständnisses. Um wirksam und nachhaltig helfen und unterstützen zu können, ist Vertrauen notwendig. Deshalb verpflichtet sich Täterarbeit, die Menschen, die kommen, zu respektieren und ggf. ihre Rechte vor willkürlichen Eingriffen zu schützen. Dabei hat die Arbeit mit Tätern/innen auch immer die anderen Betroffenen im Blick und bezieht systemische Perspektiven mit ein: Um Opfer zu schützen und Gewalt dauerhaft verhindern zu können, ist Täterarbeit notwendig.

Täterarbeit findet auf der Basis von zuverlässigem und validem Wissen, neurowissenschaftlichen ,pädagogischen, psychologischen Erkenntnissen sowie Erfahrungen aus mehr als 25 Jahren praktischer Arbeit mit Gewalttätern/innen statt. Die daraus resultierenden Kenntnisse und Kompetenzen werden inzwischen in einer Vielzahl beruflicher Kontexte erfolgreich angewandt.

Gerade auch in diesem Arbeitsfeld erfordert verantwortliches berufliches Handeln eine hohe fachliche Kompetenz, die einer regelmäßigen Aktualisierung bedarf. Täterarbeit entwickelt sich ständig weiter, deshalb bilden sich die hier Tätigen kontinuierlich fort, um auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher

Erkenntnisse sowie aktueller empirischer Befunde zu bleiben.

Gewalt

Gewalt ist die Androhung und / oder Verletzung der körperlichen Integrität des Gegenübers.

Gewalt ist ein Verstoß gegen das Recht jedes Menschen auf körperliche und seelische Unversehrtheit.

Das Ziel jeder Form von Täterarbeit ist die nachhaltige Beendigung von gewalttätigem Verhalten und unabdingbar für den Schutz der Opfer vor gegenwärtigem oder zukünftigem Gewalthandeln.

Grundhaltung für die Arbeit mit gewalttätigen Menschen
  • Gewalttätiges Verhalten ist veränderbar.

  • Täter/innen können und wollen ihr gewalttätiges Verhalten ändern, wenn ihnen eine angemessene, sachdienliche und kompetente Unterstützung zuteil wird.

  • Täterarbeit verurteilt die Gewalttat, jedoch nicht den Menschen.

  • Täter/innen sind für ihr gewalttätiges Verhalten verantwortlich. Die Verantwortungsübernahme für das eigene Gewalthandeln ist die Voraussetzung für das Gelingen der Beratung /Therapie.

  • Jeder Mensch hat die Möglichkeit, sein gewalttätiges Verhalten zu überwinden und zu wachsen. Professionelle Täterarbeit bietet dazu die notwendige kompetente Unterstützung und Hilfe.

  • Ein erfolgreiches Arbeiten unterscheidet Aggression und Gewalthandeln. Aggression ist sowohl notwendige Fähigkeit zur Grenzsetzung als auch notwendiges Mittel der Selbstfürsorge im Gegensatz zum Gewalthandeln als einem Akt der Grenzüberschreitung.

  • Da Gewalt die Auseinandersetzung mit negativ bewerteten Gefühlen vermeidet und in den meisten Fällen der Abwehr von Hilflosigkeit und Ohnmacht dient, ist die Arbeit mit und an den Emotionen ein wesentlicher Bestandteil von Täterarbeit.

Grundsätze für Täterarbeit
  • Täterarbeit differenziert in der Arbeit zwischen gewalttätigen Männern und Frauen: Sie berücksichtigt die Auswirkungen der geschlechtsspezifischen Sozialisation und aktuellen Lebenssituation sowohl auf Seiten des Klientels als auch auf Seiten der Professionellen.

  • Täterarbeit eröffnet Perspektiven, hilft bei der Aufdeckung verloren geglaubter Ressourcen und unterstützt bei der Erarbeitung und Erprobung von Verhaltensalternativen.

  • Täterarbeit bedient sich vielfältiger kreativer Methoden zur Kristallisation und Erhellung von Problemfeldern und ergänzt auf diese Weise den rein sprachlichen Zugang.

  • Täterarbeit gibt Raum für Ungewohntes und Neues und wagt, mit den Klienten/innen eingefahrene Muster und Rahmen zu verlassen.

  • Erfolgreiche Täterarbeit definiert Räume und konfrontiert beim Überschreiten der Grenzen.

  • Aus methodischen Gründen ist es notwendig, individuell auf jede/n Gewalttäter/in einzugehen. Deshalb ist zu Beginn zwingend ein beraterisch-therapeutisches Einzelsetting erforderlich. Nachgeordnet können in einem pädagogischen Gruppensetting die erreichten Veränderungen gefestigt und ausgebaut werden.

  • Zur Steigerung der Selbstwirksamkeit der Klienten/innen wird eine gegenwartsbezogene Herangehensweise bevorzugt.

  • Durch die Stärkung der Selbstwahrnehmung und das Erleben der eigenen Gefühlsvielfalt werden Veränderungsprozesse möglich und haben eine nachhaltige Wirkung.

Rahmenbedingungen / Gesellschaftlicher Kontext
  • Gewalt ist ein schichtübergreifendes Phänomen und in allen Bereichen unserer Gesellschaft zu finden. Aus diesem Grund muss Täterarbeit alle gewalttätigen Menschen im

  • Hellfeld (justiziell oder polizeilich verfolgt)

  • Graufeld (helfenden Sozialeinrichtungen bekannt) und

  • Dunkelfeld (nur den Betroffenen bekannt) erreichen.

  • Gewalt im Dunkelfeld ist nicht weniger grausam und zerstörerisch als im Hell- und Graufeld.

  • Aus systemischer Sicht und unter dem wesentlichen Aspekt der spezifischen Verantwortungszuweisung bzw. Verantwortungsabgrenzung sind Täter- und Opferarbeit strikt voneinander zu trennen.

  • Täter- und Opferarbeit finden gleichwertig in gegenseitigem Respekt statt.

  • Arbeit mit gewalttätigen Menschen findet im Kontext von regionaler psychosozialer Vernetzung statt.

  • Sofern eine justizielle Verfolgung stattfindet, befürwortet Täterarbeit ausdrücklich die Bestrafung von gewalttätigem Verhalten. Eine Veränderung des Klientels erfolgt hierdurch jedoch nicht, dazu bedarf es einer qualifizierten, professionellen Bearbeitung.

Qualitätssicherung
  • Qualifizierte Täterarbeit setzt kompetente, gut ausgebildete und erfahrene Mitarbeiter/innen voraus. Folgende Voraussetzungen müssen dazu mitgebracht bzw. erfüllt werden:

  • Die Grundqualifikation ist ein Fachhochschul- oder Hochschul-abschluss in einer (sozial-) pädagogischen, sozialarbeiterischen oder psychologischen Fachrichtung oder eine vergleichbare Qualifikation.

  • Zusätzlich sind gewaltspezifische Zusatzausbildungen gemäß den Empfehlungen des Europäischen Fachverbands für Gewaltberater/innen und Tätertherapeuten/innen (eupax®) verbindlich.

  • Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen zum Gegenstand der Arbeit dienen der Aktualisierung des Kenntnisstandes und des Wissens.

  • Fachspezifische Supervisionen und Intervisionen.

  • Standards dienen der Qualitätssicherung und sind ein Werkzeug in der Zusammenarbeit mit Institutionen.

  • Die Dokumentation von Prozessverläufen ist integraler Bestandteil der laufenden Arbeit und ermöglicht eine Evaluation.

  • Die Teilnahme an regelmäßig stattfindenden Verbandstreffen ist erwünscht.

  • Eupax®- Webseite und eupax®- news informieren fortlaufend über neueste Entwicklungen, Beschlüsse, Fort- und Weiterbildungen sowie wichtigen Terminen und aktuellen Informationen.


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